Gedankengänge

header-gelb-couch.jpgAn die Verschriebenen – Aphorismen, die nicht jedem schmecken

Du hast deine eigene Innenwelt,
und die ist unaufgeräumt.
Es gibt keine Waagerechte
und es gibt keine Senkrechte.
- PATTI SMITH

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Dies ist also das neue Deutschland, der Euro-Menschenpark Nr.1 , wo sie die Wahrheit verstecken, ganz gleich welche Wahrheit es ist, sie halten sie nicht wie zu Hitlers Zeiten unter Verschluss, sie verbrennen sie nicht oder sperren sie weg, nein, diesmal verbieten sie sich einfach gegenseitig den Mund. Wie Blinde schleichen sie an der Wahrheit vorbei, zucken beim kleinsten Anstoß zusammen, weichen zurück: Sie wollen die Namen derer, die sie offen bedrohen nicht hören, sie verkennen bewusst die Gefahr in der ihre eigenen Frauen und Kinder schweben, wie Verrückte benehmen sie sich. – Und im wahrsten Sinne des Wortes verrückt sind sie, heraus gerückt aus ihrem eigenen Kopf, aus der eigenen Haut, – der sie nicht nachtrauern, deren Farbe sie sogar als Anstoß empfinden, diese selbstlosen humanen Deutschen, von denen manche insgeheim beten, all diese Pflichtversäumnisse mögen ihr Karma entlasten. Denn im Geiste sind sie natürlich Inder, so wie sie – was Musik anbelangt – betonen, der afrikanische Stammestanz spreche sie mehr an als das „Gedöns von Herrn Wagner“. Ihre Findigkeit und Begeisterung die eigene Kulter zu verspotten kennt keine Grenzen.

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Kehrsätze schreiben – eine Kunst für sich. Die meisten Sätze treiben nur sinnlos
voran.

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Die Abdrücke von Fossilien, die sich in der steinernen Haut des Erdballs finden, könnte man erdgeschichtliche Tätowierungen nennen; zumindest stehen sie dem Abziehbild näher als der Illustration.

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Durchblick: Was ist damit anderes gemeint als das Transparent-Machen der Wirklichkeit? Indem man es durchschaut – die Liebe, den Tod, die Religion, die Natur – löscht man es aus.

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Die alten Indianer meinten, Gott gab zu Anbeginn jedem Volk eine Trinkschale, und aus dieser Schale tranken die Völker ihr Leben. Aus der Schale der Deutschen ist leider ein Fressnapf der Hyänen geworden, das “Wasser des Lebens” eine trübe Brühe, die keinem mehr schmeckt. Alles hier ist OVER AND OUT, ihre ureigenste Kultur ist ein Götzendienern der Schande, eine Seelenarbeit der Heuchlerei. Eingemauert in den Wahnvorstellungen, die sie sich selbst eingeimpft haben, überbieten sie sich jetzt im Weiterreichen ihrer “Schale” an vitalere Völker.

 

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Wenn die Wasserscheide des Alters tatsächlich darin besteht, einzusehen, daß die Welt auch ohne einen auskommen wird, dann kam ich schon uralt zur Welt.

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„Hitler was almost right, the only problem was the hate thing.“ Stand so irgendwo in einem Blog der neuen US-Konservativen. Ich bin anderer Meinung: Man kann sich nicht als Mitglied einer Untergruppe der Säugetiere, der Hominiden , – also homo –, wie sub-homo aufführen, und dann sapiens tun, um zu beweisen, dass man eigentlich homo superior ist. Irgendwie haut das beim besten Willen nicht hin.

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Der Totale Konsum läuft auf den Totalen Krieg hinaus, ganz gleich ob man  ihn so nennt oder nicht.

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Vielleicht hatte der griechische Philosoph Panatojos Kondylis recht, wenn er in der Melancholie „die einzig angemessene geistige Waffe“ erkennt, um sich im Zeitalter der Massendemokratie selbst zu erhalten. Mein Blickwinkel auf die Welt geht durch das Prisma einer positiven Melancholie, die das Schlimmste gewissermaßen freudig erwartet, ja, sich fast amüsiert. Dadurch wird dem Unglück in die Suppe gespuckt.

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Mit der Melancholie ist es wie mit dem Alkohol: Zuviel der schwarzen Galle schadet dem Kopf, doch ein Tropfen fördert die Wahrnehmungsfähigkeit ungemein. Der positive Melancholiker ist in der Regel ein umgänglicher, realistischer  Mensch. Seine Erwartung an das Leben sind nicht allzu hoch, eher gering, der Wachs seiner Seele ist – wie Sokrates so trefflich bemerkte – trüb.
Betrübt ist er deshalb nicht, obwohl er weiß, dass seine Stunden gezählt sind.
Vom Ende her blickend, relativiert er alles, was das Leben an ihn heran trägt.
Die Zeit zwischen Geburt und Tod versteht er als Adagio, als Zwischenzeit  zwischen Ewigkeiten und er ergibt sich daher freudig den schönen Seiten des Daseins.
Der positive Melancholiker hat nichts, aber auch gar nichts mit dem Depressiven gemein:
Wer begreift, der muß an dieser Welt leiden. Da wir das Leben aber lieben,
bleibt uns nur der melancholische Einklang: Wir leiden und lieben.

 

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Ich bin immer vom Ende ausgegangen, weil jedes Leben, das entsteht, auf die Nichtexistenz hinausläuft. Dabei gibt es am Tod nichts zu verstehen: Ist er eingetreten, ist man nicht mehr da, und umgekehrt.

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Dekadenz ist nicht per se negativ: Sie relativiert, weil sie Respekt vor vergangenen Kulturen und Epochen hat. Daher ist sie bescheidener und menschlicher als die bäuerlich-breitmäulige Pose des Pop. Der Mangel an Vitalität bedeutet nicht zuletzt ein Zuwachs an Sensibilität.

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Es war Platons großer Verdienst, daß er den Eros aus dem Dunstkreis der Trinksprüche in die Klarheit den Rang des Philosophischen berief.

Der Orgasmus ist keine Lustprämie der Natur: Nie sind wir göttlicher und wahrhaftiger als in diesem Moment. Unsere Sehnsucht nach einer höheren, vollkommenen Welt wird unmittelbar und sinnlich in der Ekstase des Plasmas bestätigt: Seht her, der göttliche Brahma tanzt in der Sonne …

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Rückblickend kann ich sagen, dass ich das Elend und die Verzweiflung meiner jungen Jahre als Mitgift in den Bezirk gebesserter Lebensumstände zu retten verstand. Wache Angst und das Wühlen in Erinnerungen begleiten mich noch immer von einem Pfad des Suchens zum anderen.

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In der Biologie versteht man unter Aberration die starke Abweichung eines Individuums von der betreffenden Tier – oder Pflanzenart. Dem Duden sei Dank, nun weiß ich endlich Bescheid. Missanpaßling, der nicht anders kann.

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Jeder Roman ist eine Metamorphose, so etwas wie ein „schwindsüchtiger” Zustand.

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Naturwissenschaftler, die unaufhörlich darauf hinweisen müssen, dass der Mensch nur eine Schlammpfütze ist, erinnern mich an Fachleute, die vor Rembrandts “Nachtwache“ über Pigmente, Malmittel und Leinwand große Vorträge halten.

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Gottlos? – Mein Los ist es nicht.

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Alle gefestigten Religionsgemeinschaften sind kommerziell ausgerichtete Verwertungsgesellschaften von Wahnvorstellungen. Für eine Mega-Event-Agentur wie die katholische Kirche wäre es längst Zeit an die Börse zu gehen. Wäre da nur nicht der Dauer-Weltjugendtag mit den kleinen Jungen gewesen…!

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Unsere wohlmeinenden Humanisten müssen sich mit dem Gedanken anfreunden, daß die Schöpfung auf diesem Planeten eben nur guter Durchschnitt ist, „ganz ordentlich”, aber weit davon entfernt glänzend zu sein. Das Recycling von Lebensformen (das Abtakeln der biologischen Komponenten)wirkt auf mich so barbarisch wie eine vorindustrielle Industrieanlage.

Die meisten Lebensformen – nicht nur der Mensch – fristen ein knapp bemessenes Dasein. Die Paranoia der Natur hält die vielen Arten in Schach: Nur Grönlandwalen, Elefanten und maurischen Schildkröten traut sie offenbar über den Weg. Das älteste Lebewesen der Erde ist angeblich der Creosate-Strauch (Larrea Tridentata), den Wissenschaftler kürzlich in der Palm Springs Wüste, neben einem Müllhaufen, entdeckten. Leider hat er keine Augen. Mit seinen elftausendsiebenhundert Jahren hätte er noch die ersten, ziellos umher irrenden Steinzeitmenschen gesehen.

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Sexus, vom Lateinischen secare abgeleitet – bedeutet fast wörtlich „Abgeschnittenes“. Abgeschnitten von was? Meine Deutung wäre, man trennt sich von sich selbst. Fragt alte Ehepaare.

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Wenn der Papst ins Mittelmeer spuckt, wird es davon nicht heilig.

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Es gibt kein drögeres Protokoll des Daseins als die Gesellschaft deutscher Literaten.

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Kehlmann, Franck, Kracht, Zeh: Vier sorgsam von ihren Verlagen geschmiedete Markennamen, die für Bauernschläue, Langeweile, Bildungsbürgertum und morbidem Eigendünkel stehen. Wie sagte ein holländischer Freund neulich so schön: Am deutschen Lesen sollst du verwesen.

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Die Sprache ist der Klebstoff, der eine Gesellschaft verbindet. Neuerdings riecht dieser Klebstoff nur noch nach Wichse.

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Die natürliche Auslese wurde längst durch die künstliche ersetzt.

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Selbst Dreck hatte früher mehr Qualität.

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Die “Verbesserung” der Service-Leistungen der Bahn besteht vor allem darin normale Fahrgäste durch vielseitige Diskriminationstechniken den Schikanen der Besser-Zahlenden auszusetzen. Wer keinen Aufpreis für Reservierung, Bahn Comfort oder anderen Schnickschnack bezahlt, hat im Grunde genommen – käme es hart auf hart – nur Anrecht auf einen Stehplatz (auf dem Dach.) Zum Glück ist die Bahn so gut wie nie ausgebucht. Die Reisenden, die reserviert haben, erhalten übrigens ebenso wenig einen besseren Service, sondern nur das Vorrecht ihre schlechte Laune auszuleben. Sado-Maso pur.

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Das Anorganische ist nur eine Erfindung des Organischen um sich wichtig zu machen.

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Die Ursprünge der Kunst liegen nicht nur im naturmagischen, rituellen Bereich, sie liegen auch im Wissen-schaffen. Die Philosophen der Antike kannten noch keinen Unterschied zwischen Kunst und Wissenschaft, erst der Feudalismus, begünstigt durch die perfide Sklavenreligion der Christen machte aus Künstlern Kriegsknechte, Marktschreier oder Salonmaler.

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Große Kunst nimmt oft den Fortschritt vorweg. Ähnlich wie die von Steinzeitmenschen mit Eisenoxyd gemalten Felsbilder die Röntgenplatte vorwegnahmen, prophezeiten Boccionis „Urformen der Bewegung im Raum bereits 1913 Bellbottom-Jeans und den Disco-Step. (22.10.2009)

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Hat man sich die Unsterblichkeit erst einmal zuerkannt, dann muß man sie auch den Hooligans zuerkennen, den Spatzenhirnen und Spass-Humanoiden, den politischen Windbeuteln und ihren Knallchargen, den Heinzen aus Wirtschaft und Hochfinanz, und natürlich all den – mea culpa, mea maxima culpa – lieben Zuschauerinnen von »Sex & the City« …
Wäre es nicht geradezu fürchterlich und grauenerregend, sollte sich die psychische Matrix all dieser Frauchen über den Tod hinaus erhalten: Bis in alle Ewigkeit, Schuhe? – Es lebe der Tod!

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Endstufe: Es ist typisch für die Feudal-Linken, dass sie einen Roman über das bestialische Grundmuster des Lebens als persönliche Beleidigung aufgefasst haben – als ob sie bessere Menschen wären. Und selbst wenn sie begriffen haben, dass ich ihnen keine Vorwürfe mache, verweigern sie sich einem realistischerem Denken über sich selbst. Tatsächlich halten sie sich für mustergültige Menschen – so wie sich die Nazis für “mustergültig” hielten. Ich glaube, die meisten würden dieselben Fehler machen wie ihre Großväter. (6.7.2004)

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Was die gutmenschlichen Narrenhäusler nicht für wahr haben wollen? Daß sie ‘45 keiner sittlich oder moralisch höheren Instanz, sondern einer noch brutaleren Macht unterlagen. Daran haben sie bis heute zu kauen.

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Hinter den meisten antifeministischen Äußerungen steht ein ästhetisch bedingter Reflex: Man kann Feministen verstehen, schön finden kann man sie nur in den seltensten Fällen.

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Schwarz, weiß, braun, gelb – Hautfarben sind mir wie Autolackierungen. Der neue Mensch, so undenkbar er mir heute erscheint, müsste in der Lage sein über den Rand der fleischlichen Chasis hinauszublicken.

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Giordano Bruno, der die Natur eine “feile” Dirne und das Naturrecht “Schurkerei” nannte, bezweifelte, daß die Schöpfung und die Natur je zu einem Endzweck zusammenwirken könnten. Ich dagegen befürchte, die Natur ist mit dem, was sich Schöpfungskraft nennt, bis ins Kleinste identisch: Sie ist Manifestation.

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Rap ist eine synästhetische Kunstform. Der echte Liebhaber des Rap hört die Haut singen.

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Denunziation gilt heutzutage als revolutionär.

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Das wirklich Tragische an Friedrich Nietzsche? - Dass er der eigentliche deutsche Religionsstifter war, kein machthungriger Separatist wie Luther, sondern der Begründer einer Kirche tiefster Mitmenschlichkeit.
Wie Jesus und Mohammed war er der „Aufräumer“ seiner Zeit.
Die Deutschen, diese instinktarmen, phantasielosen Nützlichkeitsanbeter, schafften es Nietzsches Werk im Keim zu ersticken und ihren größten Visionär zum Wahnsinnigen umzudeuten. Von allen Gründen, dieses Land endgültig zu verlassen, wiegt dieser am schwersten.

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Der Böse ist nüchterner als der Gute. Er empfindet das Leben von als fortgesetzten Betrug und handelt dementsprechend: Er rechnet auf. Und ab. Pausenlos. Das sorgt für Vertrauen. Sein Kalkül, mit einer Bankrotterklärung zu wuchern, geht so lange gut, bis
er leichtsinnig wird, das heißt, er beginnt auf sein Glück zu bauen – und schon
geht er zugrunde …